Gesundheits-Gefährdung durch PVC-Weichmacher

Weichmacher Phthalate gelten als höchst gesundheitsgefährdend

Wien, 02.04.2004. Der menschliche Organismus nimmt PVC-Weichmacher in höheren Mengen auf, als bisher angenommen. Besonders gefährdet sind Kinder. Die weit verbreiteten Weichmacher Phthalate gelten als höchst gesundheitsgefährdend, weil sie in den Hormonhaushalt des Menschen eingreifen und die Fortpflanzung bzw. Entwicklung schädigen.

Wie eine am 16.03.2004 veröffentlichte Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über Ergebnisse eines Forschungsprojektes ergab, ist die Menge an Phthalaten, die der Mensch aus der Umwelt aufnimmt, größer als bisher vermutet. Forscher der Universität Erlangen bringen sie in Verbindung mit dem seit Jahrzehnten beobachteten Rückgang der Spermienzahlen und damit der männlichen Fruchtbarkeit.

Auch die Zunahme von Hodenkrebsfällen und Missbildungen der männlichen Geschlechtsorgane wird im Zusammenhang mit der Phthalatbelastung diskutiert. Der Mensch nimmt die Phthalate vorwiegend mit der Nahrung und der Atemluft auf. Auf diesem Weg gelangen sie in den Organismus, wo sie auf den Hormonhaushalt wirken.

Besondere Gefahr für Kinder

Vor allem Kinder nehmen größere Mengen der Stoffe aus der Umwelt auf, als bisher bekannt. In bestimmten Baby- und Spielzeugartikeln aus Weich-PVC sind Phthalate in hoher Konzentration enthalten und gefährden somit die Gesundheit von Kleinkindern, wenn sie an den Gegenständen (Beißringe, Badewannentiere, Kunststoffbücher, Quietschtiere) lutschen oder sie häufig in den Mund nehmen.

In der Umwelt allgegenwärtig

Phthalate wie der Weichmacher Diethylhexylphthalat (DEHP) gehören zu den wichtigsten Industriechemikalien und werden jährlich in einer Menge von 2 Millionen Tonnen erzeugt; 90% davon werden dem PVC als Weichmacher (in Konzentrationen bis zu über 50% der Gesamtmasse) zugesetzt. Phthalate kommen aber auch in vielen anderen Bereichen zum Einsatz, etwa bei der Herstellung von Körperpflegemitteln und Textilien. Da sie aber im Kunststoff nicht chemisch gebunden sind, können sie auch wieder entweichen. Nachdem Phthalate aber auch relativ beständig und darüber hinaus fettlöslich sind, reichern sie sich in der Umwelt an und können in der Nahrungskette kumulieren.

Gesetzliche Maßnahmen

Österreich hat als eines der ersten Länder eine Verordnung erlassen, die phthalathaltiges Spielzeug für Kinder unter drei Jahren verbietet (BGBl. II Nr. 255/1998).

Nachdem dann noch weitere Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereits Beschränkungen oder Verbote phthalathaltiger Spielzeuge erlassen haben, bestand auf Gemeinschaftsebene dringender Harmonisierungsbedarf. Auch diverse Studien und Gutachten des wissenschaftlichen Ausschusses der Europäischen Kommission bestätigten das Risiko, das Weichmacher in Weich-PVC für Kleinkinder darstellen können.

Als erste gemeinschaftliche Maßnahme wurde im Dezember 1999 eine Entscheidung der Kommission veröffentlicht, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, das Inverkehrsetzen von Spielzeug- und Babyartikeln, die eines von 6 bestimmten Phthalaten mit einem Anteil von über 0,1% enthalten, zu verbieten (Entscheidung 1999/815/EG).

Verbot in Österreich seit 1998

Die Umsetzung in Österreich erfolgte mit der Verordnung zum „Verbot der Verwendung von Weichmachern bei bestimmten Babyartikeln aus Weich-PVC für Kinder unter 36 Monaten“ (BGBl. II Nr. 111/2000).

In Österreich gilt allerdings schon seit 1998 (siehe oben) ein generelles Verbot von Spielzeug, das unter Zusatz von Weichmachern aus der Gruppe der Phthalate hergestellt ist.

Daraus ergibt sich für Spielzeug bzw. Babyartikel, die von Kindern unter drei Jahren in den Mund genommen werden können, in Österreich folgende Situation:

Ein Verbot für Spielzeug, das irgendein Phthalat enthält

Ein Verbot von Babyartikeln, die eines von 6 bestimmten Phthalaten mit einem Anteil von über 0,1% enthalten.

Noch keine Einigung in der EU

Seit langer Zeit wird auf Gemeinschaftsebene beabsichtigt, diese 6 Phthalate in Spielzeug zu verbieten, sowie Produkte zur Kinderpflege, die eines der genannten Phthalate in sehr geringen Mengen enthalten, mit Warnhinweisen (»Nicht in den Mund nehmen«) zu versehen (Vorschlag 2000/C 116 E/06). Allerdings ist man sich über das Ausmaß der nötigen Beschränkungs-maßnahmen noch nicht einig geworden, da die Anreicherung in der Umwelt nur schwer messbar ist.

Die veröffentlichten Ergebnisse werden vom zuständigen wissenschaftlichen Komitee der Kommission (CSTEE) geprüft werden. Dies betrifft die unerwartet hohe Belastung der Allgemeinbevölkerung durch DEHP ebenso wie die neuen Erkenntnisse zum Stoffwechselverhalten dieses Phthalats.

In der Zwischenzeit wird die Geltungsdauer der o.a. Enscheidung 1999/815/EG alle drei Monate verlängert, um die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse für dauerhafte legistische Maßnahmen berücksichtigen zu können. Die letzte Verlängerung wurde am 24. Februar 2004 veröffentlicht.

Die Forderung der Erlanger Forscher, dass bei der Neubewertung der Gesundheitsrisiken durch DEHP der Organismus von Neugeborenen und Kindern geschützt werden muss, da diese besonders empfindlich auf Hormone reagieren, wird von Experten des Umweltbundesamtes, die in den zuständigen Arbeitsgruppen vertreten sind, voll unterstützt.

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